Borsigtor 1

 

Borsigturm

1837 gründete August Borsig sein Unternehmen zum Bau von Lokomotiven am Oranienburger Tor in Berlin-Mitte. Bereits 1846 verließ die 100. Lokomotive das Werk und schon 1858 die 1.000. 1898 wurde das Werk in Tegel eingeweiht, das sowohl zu Wasser als auch zu Schiene erreichbar war. Gleichzeitig entstand die Wohnsiedlung Borsigwalde für mehr als 5.000 Mitarbeiter. Den Eingang in das Borsig-Gelände zierte ein heute noch existierendes Tor in der Art eines Stadttores mit „Borsig“-Schriftzug, an den Seiten flankiert von Figuren, die einen Gießer und einen Schmied darstellen. Beide Skulpturen sind viel älter als das Tor. Sie waren schon im Mutterwerk in der Chausseestraße aufgestellt und stammen aus dem Jahre 1854. Heute stehen die Originale im Foyer des Rathauses Reinickendorf, um sie vor fortschreitendem Verfall zu schützen.

Als 1918 bereits 10.000 Lokomotiven ausgeliefert waren, gaben die beengten Platzverhältnisse den Anstoß zum Turmbau. Im Berlin der 1920er Jahre kursieren vielfältige Entwürfe für spektakuläre Hochhausbauten.

Die Vereinigten Staaten sind das Mutterland des Hochhauses. Schon vor dem Ersten Weltkrieg entstanden dort regelrechte Wolkenkratzer, die über 200 Meter hoch sind. Deutsche Architekten wollten diesem Beispiel nacheifern. Legendär ist Ludwig Mies van der Rohes Wabe – ein kühnes Konzept aus dem Jahr 1921 für ein zwanzigstöckiges Bürogebäude am Bahnhof Friedrichstraße. Ausgeführt wird der Entwurf nie.

Stattdessen entsteht 1922 bis 1924 als erstes Berliner Hochhaus der Borsigturm in Tegel. Er ist kein Wolkenkratzer wie die US-amerikanischen Vorbilder, er erreicht nur eine Höhe von 65 Metern. Aber das Werk des Architekten Eugen Schmohl ist dennoch ein Novum der Berliner Moderne. Zuvor waren Türme keine Häuser. Hans Hertleins Wernerwerkturm in Siemensstadt (Baujahr 1917) ist beispielsweise nur die Verkleidung für einen Schornstein und Wasserbehälter. Aber der Borsigturm ist ein richtiges Bürogebäude. Hier sitzt die Verwaltung der Borsig-Werke. Schnell wurde der Turm zum Wahrzeichen der Borsigwerke, die nach wenigen Jahrzehnten zum größten Lokomotivproduzenten Europas geworden waren.

Die Weltwirtschaftskrise 1929 beendete die Selbstständigkeit der Borsig-Werke. Wechselnde Besitzer übernehmen in der Folge das Fabrikgelände in Tegel. Im Zweiten Weltkrieg beschädigen Bomben den Borsigturm, zerstören ihn aber nicht. Bis heute ist er ein Bürohochhaus. Nach Renovierungen in den 1970er und 1990er Jahren steht er mit den verbliebenen Gebäuden der Borsig-Werke unter Denkmalschutz.

Nach einem städtebaulichen Konzept von Claudio Vasconi entstanden rings um den Borsigturm seit 1996 ein Hotel, Bürogebäude und ein Gründerzentrum. Hauptattraktion des Borsig-Areals sind die zu einer Einkaufspassage umgebauten alten Werkshallen „Hallen am Borsigturm“.

In der Berliner Industriegeschichte gehört Borsig zu den klangvollsten Namen, nur wenige Unternehmen in der Stadt haben eine ähnlich lange Tradition. Dennoch ist die heutige Borsig GmbH, die bereits das 175. Jubiläum der Firmengründung feierte, nur noch wenigen Berlinern bekannt. Denn mit Eisenbahnen hat der einst größte Lokomotivhersteller Europas längst nichts mehr zu tun. Fünf Einzelunternehmen mit insgesamt rund 630 Mitarbeitern erwirtschaften jährlich etwa 200 Millionen Euro mit speziellen Technologien für die Industrie.