Kleinkleckersdorf
oder Stonehill Gardens
Im 19. Jahrhundert war Tegel mit seiner Seenlandschaft und zahlreichen Wäldern ein Erholungsgebiet im Norden der Stadt Berlin. Kurz nach dem 1. Weltkrieg beschloss die Gemeinde Tegel, eine Kleinhaussiedlung mit einfachem und preisgünstigem Wohnraum für Invaliden, Witwen und andere Bedürftige zu errichten. Südlich der „Freien Scholle“ und des Steinbergparks errichtete 1919-1920 der Berliner Architekt und Stadtbaumeister Ernst Hornig eine Wohnsiedlung im englischen Stil.
Es entstanden hier 38 Einfamilien- und 3 Mehrfamilienhäuser. Die dazugehörigen großzügigen Gärten dienten bis in die 1960er Jahre der Eigenversorgung „der kinderreichen Familien“. In der Siedlung am Steinberg wurden die Wohnungen von Generation zu Generation weitergegeben. In den 38, kaum 80 Quadratmeter großen Reihenhäuschen wohnten früher mehrere Generationen, in den Anfangsjahren auch noch mit Untermieter. Ein Bad gab es nicht, gekocht wurde auf dem Kohlebeistellherd.
Bis in die 1980er Jahre als landeseigene Siedlung vom Wohnungsamt verwaltet, wurden die kleinen Häuser, die im Trubel der Berliner Großstadt dem Besucher das Gefühl eines kleinen Dorfes vermittelt, liebevoll gehegt und gepflegt. Seit der Übernahme der Siedlung durch die GSW in der Mitte der 1980er Jahre wurden immer mehr Schäden an der Bausubstanz ignoriert und die Häuser teilweise einfach dem Verfall überlassen. Heute sind viele Häuser in einem sehr schlechten Zustand und bedürfen dringend einer Instandsetzung. Nur durch den Einsatz der Mieter, die sich mit viel Eigenleistung bemühten, Ihre Häuser und Wohnungen in Schuss zu halten konnte bisher Schlimmeres verhindert werden. Nach ihrer Privatisierung veräußerte die GSW die Häuser 2009/2010 an eine private Investorengruppe. Die hat große Pläne für die begehrten Einfamilienhäuser im Grünen, denn dank Denkmalschutz winken attraktive steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten. Die Mieter wurden mit Modernisierungsankündigungen geschockt, die eine Vervielfachung ihrer Mieten bedeutet hätten. Doch sie wehren sich bis heute.
Wie sich die „Am Steinberg Entwicklungsgesellschaft mbH“ die neuen Zeiten in den „Stonehill Gardens“ vorstellt, kann man sich an den bereits umgebauten Häusern in der Siedlung anschauen. Terrasse mit großer Fensterfront, Kamin, Fußbodenheizung Swimmingpool – so exklusiv kann man nun unter 100 Jahre alten Obstbäumen wohnen, schreiben die Vermarkter auf ihrer Website. Man habe das Ensemble aus dem Dornröschenschlaf erweckt. Für rund eine Million Euro werden die Häuschen an Kapitalanleger und Eigennutzer verkauft.
Der Kontrast zu Edith Frankes Zuhause könnte nicht größer sein. Ihr Haus ist noch im Originalzustand, inklusive Badeofen, den die 86-Jährige noch selber beheizt. Ein Nachbar schaut täglich nach dem Rechten, besorgt Holz und beheizt den Ofen in der Küche. Edith Franke wurde als erste auf Duldung der Modernisierung verklagt. Um 1667 Euro sollte ihre Miete steigen. Im November 2017 entschied nun der Bundesgerichtshof (BGH), dass die Mieter die angekündigten Modernisierungsmaßnahmen nicht dulden müssen, weil dadurch der Charakter der Mietsache völlig verändert werde.
Was den Komplettumbau der Reihenhäuschen betrifft, kommt der Eigentümer nun nur zum Zug, wenn jemand auszieht oder verstirbt. Doch der lange Kampf nagt an der Substanz der Bewohner. Das Durchschnittsalter sei um die 80, die älteste Mieterin ist 103 Jahre alt.