Dorfaue Wittenau 1

 

Dorfanger Alt-Wittenau

Den historischen Kern von Wittenau bildet der inmitten alter Bäume gelegene Dorfanger mit alten Bauernhäusern und der Dorfkirche von 1482 – dem ältesten bis heute erhaltenen Gebäude des Ortes. Im Inneren kann man einen Flügelaltar besichtigen. Drei Figuren, die Heilige Anna, Maria mit dem Jesuskind und der Heilige Nikolaus, sind ebenfalls im Original als Zeugnisse mittelalterlicher Holzschnitzkunst erhalten geblieben.

Wittenau entstand aus dem vermutlich um 1230 gegründeten märkischen Dalldorf, das erstmals in 1322 urkundlich erwähnt wurde. Bereits vor 1322 befand sich das Dorf im Besitz des Benediktinerinnen-Klosters Spandau. Nach der Reformation und der damit einhergehenden Auflösung des Klosters in Spandau 1558 wurde Dalldorf vom Amt Spandau verwaltet. Nach Ende des Dreißigjährigen Kriegs wohnten 1652 in Dalldorf nur noch sieben Familien. Im Zuge der Wiederbesiedlungspolitik in der Mitte des 18. Jahrhunderts gelang es allen Dalldorfer Kossäten, Ackerland zugesprochen zu bekommen. Aus Mangel an Wiesen auf denen Vieh gehalten werden konnte, wurde um 1782 das Seggeluch – ein Sumpfgebiet zwischen Dalldorf, Rosenthal und Lübars – entwässert und damit eine zusätzliche Fläche von etwa 60 Morgen zur Viehhaltung gewonnen.

Mit dem Wachsen der Stadt Berlin stieg auch die Einwohnerzahl Dalldorfs beständig an. In 1827 wurde in Dalldorf der erste Antrag zur Separation gestellt. Für die Umwandlung eines Teils der Jungfernheide in einen Schießplatz (danach Flughafen Tegel), auf der Schafe aus Dalldorf weideten, erhielten die Bauern Ausgleichszahlungen. 1869 erwarb die Stadt Berlin ein weiteres Mal Land von der Gemeinde Dalldorf, diesmal zum Bau einer städtischen Irrenanstalt. Die Anstalt wurde bis 1879 errichtet und war fortan als Städtische Irrenanstalt zu Dalldorf bekannt (ab 1957 Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik). In den Folgejahren wurde Dalldorf im Volksmund zum Synonym für Irrenanstalt.

Mit der Fertigstellung der Nordbahn 1877 und der Kremmener Bahn 1893 wurden die umliegenden Dörfer für eine Randwanderung der Berliner Industrie interessant. Den größten Einfluss für die Entwicklung Dalldorfs hatte der Umzug der Firma Borsig nach Tegel. Für die rund 4800 Arbeiter und 500 Angestellten entstand bis 1899 eine Werkssiedlung, die sich frühzeitig um einen neuen Namen bemühte, um sich von der Irrenanstalt zu distanzieren.

Aber auch die Dalldorfer selbst wussten um die negative Assoziation, die ihrem Dorfnamen anhing. Daher wurde im Januar 1903 ein Gesuch an den zuständigen Landrat des Kreises Niederbarnim gestellt, die Gemeinde umzubenennen. Pate für den neuen Namen standen der beliebte, 1902 verstorbene, langjährige Amtsvorsteher Dalldorfs, Peter Witte, in Kombination mit der Lage der Gemeinde auf dem flachen Land (eine Au). Der Kaiser höchstpersönlich genehmigte – nach fast zweijähriger Bearbeitungszeit – am 23. August 1905 per Kabinettsorder die Umbenennung in Wittenau.

Die Randwanderung der Berliner Industrie führte zu höheren Steuereinnahmen, so dass die Gemeinde Wittenau um 1906 mit der Planung eines repräsentativen Rathausbaus begann, welches 1911 feierlich eingeweiht wurde. 1920 wurde Wittenau nach Groß-Berlin eingemeindet.

Nicht nur Industriebetriebe siedelten sich in Wittenau an, auch die größte der Wohnanlagen für die Angehörigen der französischen Streitkräfte – die Cité Foch – entstand hier seit 1953. Während der 1950er Jahre stieg die Einwohnerzahl des Bezirks Reinickendorf insgesamt an und bescherte den Ortsteilen in den folgenden Jahrzehnten einen großflächigen Neubau von Wohnbauten und den Ausbau einer leistungsfähigen Infrastruktur.