Russ. Orth. Friedhof 3

 

Russisch-orthodoxer Friedhof

Der Russische Friedhof in Berlin-Tegel ist der einzige zivile russisch-orthodoxe Begräbnisplatz in Berlin.

Im frühen 18. Jahrhundert war die russische Gemeinde in Berlin bereits so groß, dass sich die Frage nach einer orthodoxen Kapelle stellte. Im Jahre 1718, als Graf Alexander Golowkin Botschafter Russlands in Preußen wurde, eröffnete direkt in der Botschaft eine ständige Kapelle. Diese Kapelle zog um, wenn die Botschaft umzog.

Zur Anlage eines eigenen Friedhofes ergriff der Vorsteher der Botschaftskapelle, Erzpriester Alexei Malzew 1890 zusammen mit der Bruderschaft des heiligen Fürsten Wladimir, die Initiative. Diese wohltätige Bruderschaft erwarb im Oktober 1892 das über 18.000 m² große Grundstück. Im Mittelpunkt der Anlage befindet sich die 1894 erbaute St.Konstantin-und-Helena Kirche, eine Nachbildung der Moskauer Basilikuskathedrale. Für den Bau der Anlage wurden auf Anweisung von Kaiser Alexander III. eigens 4.000 Tonnen Erde aus Russland hierhergebracht, damit die russischen Verstorbenen gemäß der orthodoxen Tradition in heimatlicher Erde beigesetzt werden konnten.

In den Wirtschaftsgebäuden der Bruderschaft fanden Bedürftige Arbeit. Die Blumen aus den Treibhäusern der Bruderschaft erlösten jährlich bis zu 19.000 Mark. Die Setzerei produzierte Übersetzungen russischer liturgischer Texte in die deutsche Sprache. Im Brüderhaus Alexander III. entstanden eine Bibliothek mit 3.000 Bänden und ein Geschichtsmuseum mit Ikonen, Bildern, Gravuren, Handschriften usw. Der wirtschaftliche Erfolg erlaubte es der Bruderschaft, weitere orthodoxe Kirchen in anderen Städten Deutschlands zu gründen.

Nachdem der Erste Weltkrieg das Bruderschaftsleben praktisch zum Erliegen gebracht hatte, wurde sie von 1919 bis 1922 wiederbelebt und das Brüderhaus fungierte als Zentrum der russischen Emigration. Für Flüchtlinge wurden Schulen und Wohnheime gebaut sowie Gräber für die Opfer des Ersten Weltkrieges und des Russischen Bürgerkrieges angelegt.

Fortan wurde der Russische Friedhof in Tegel zur letzten Ruhestätte für Mitglieder des russischen Hochadels, für ranghohe Offiziere, Künstler und Intellektuelle. Bis heute erinnern zum Teil prachtvolle Erdbegräbnisse – aber auch schlichte Holzkreuze – mit prominenten Adelsfamiliennamen wie beispielsweise Kropotkin, Golizyn oder Daschkow an die Blütezeit der russischen Gemeinde in Berlin. Ein großes Denkmal an der nördlichen Friedhofsmauer erinnert an den in Berlin verstorbenen Komponisten Michail Glinka, der allerdings nicht hier, sondern in Sankt Petersburg begraben liegt. Freilich fanden auf dem Friedhof auch einfache Russen ihre letzte Ruhe: So wurden hier in den beiden Weltkriegen in Kriegsgefangenschaft verstorbene Soldaten beerdigt, woran hier bis heute zwei Gedenkstätten erinnern.

Während des Dritten Reiches gab die Bruderschaft ihre kirchliche Neutralität auf und wurde Teil der Deutschen Diözese der Russischen Auslandskirche. Im April 1945 wurde das Zentrum der Bruderschaft von den Kämpfen um Berlin stark in Mitleidenschaft gezogen. Das Archiv ging verloren, die Gebäude wurden beschädigt und geplündert. Am Ende des Zweiten Weltkriegs waren zudem viele Grabmäler beschädigt und mussten nach dem Krieg mühsam repariert werden. An den Zweiten Weltkrieg erinnert nun das Eingangstor an der Wittestraße: Dort hängen neun Glocken, die von den deutschen Truppen während des Krieges gegen die Sowjetunion geraubt und nach Deutschland transportiert, später aber von der roten Armee wieder sichergestellt wurden. Die älteste dieser Glocken wurde bereits 1899 gegossen.

Die an Geldnot leidende Bruderschaft verkaufte das Grundstück 1970 an die Stadt Berlin, die Friedhof und Kirche dem Moskauer Patriarchat überließ, das Brüderhaus jedoch abriss und in ein Gewerbegebiet umwandelte. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verlor der Friedhof zunehmend an Bedeutung, nicht wenige erhaltenswerte Grabmäler waren sogar vom Verfall bedroht und sind es teilweise noch immer. Seit den 1990er Jahren ist jedoch eine gewisse Wiederbelebung des Russischen Friedhofs zu verzeichnen, da sich viele der in Berlin lebenden Emigranten der postsowjetischen Welle hier bestatten lassen. Die lange vernachlässigte, denkmalgeschützte Friedhofskirche konnte im Jahre 2005 mit Hilfe von privaten Spenden restauriert werden. Friedhof und Kirche gingen 2006 wieder in den Besitz der Bruderschaft zurück.